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Ätherische Neutrinos



Das Standardmodell der Teilchenphysik
(Quelle: isgtw.org)

Neutrinos sind subatomare Teilchen, die beim Zerfall radioaktiver Elemente entstehen und keine elektrische Ladung tragen. Nach den Lichtteilchen sind sie die häufigsten Teilchen im Universum: Jede Kubikzentimeter des Kosmos enthält 340 Neutrinos, die Relikte des Big Bangs sind. Ihre einzigartige Vorteil ergibt sich aus einer grundlegenden Eigenschaft: sie werden nur durch die Schwächsten der Naturkräfte (außer der Schwerkraft) betroffen.

Die schwache Wechselwirkung der Neutrinos mit Materie macht sie als astronomische Boten besonders wertvoll. Im Gegensatz zu Photonen oder geladenen Teilchen können Neutrinos tief aus dem Innern ihrer Quellen entweichen und ungehindert das ganze Universum durchqueren. Sie werden weder durch interstellare Magnetfelder abgelenkt, noch durch dazwischen liegende Materie absorbiert. Aber gerade wegen dieser Eigenschaft sind kosmische Neutrinos so schwer nachweisbar. Man braucht gewaltige Geräte, wenn man sie in ausreichender Anzahl einfangen und ihren Ursprung verfolgen will.

 

 

 

 

Neutrinos als Chamäleons: Neutrino-Oszillationen



Detektoren weisen die Neutrinosorten νe , νµ , νt (die sog. Flavors) nach, die ihrerseits Mischungen
von Massezuständen (ν1 , ν2 , ν3) sind. Die Differenzen zwischen den Massen sind zwar gemessen worden,
doch die Massen selbst sind nicht bekannt. Ebenso wenig ist bekannt, ob der größte Unterschied zwischen
dem schwersten und zweitschwersten oder zwischen dem zweitschwersten und leichtesten Zustand besteht.
(Quelle: Berkeley Lab).

Wir kennen drei Sorten (Flavors – von engl: Geschmack) von Neutrinos: Elektronneutrinos, Myonneutrinos und Tau-Neutrinos. Im Standardmodell haben Neutrinos keine Masse. Ein gewaltiger Durchbruch im letzten Jahrzehnt war die Entdeckung, dass Neutrinos aber sehr wohl eine Masse aufweisen. Die Annahme von masselosen Neutrinos wurde fragwürdig, als Elektronneutrinos nachweislich auf ihrem Weg von der Sonne zur Erde verschwanden. Heute wissen wir, dass Elektronneutrinos sich in eine der anderen Sorten umwandeln, und diese andere Sorte entging ursprünglich dem Nachweis. Ein ähnlicher Effekt tritt in der Erdatmosphäre auf: Von kosmischen Strahlen produzierte Neutrinos ändern auf ihrer Reise zum Nachweisgerät ihre Identität. Diese Veränderung nennt man Neutrino-Oszillation oder –Mischung, und sie kann nur auftreten, wenn Neutrinos eine Masse haben. Deshalb sind diese Oszillationen die ersten physikalischen Vorboten, die über das Standardmodell hinausweisen. Versuche an Kernreaktoren und Beschleunigern haben diese Erkenntnisse bestätigt und außerdem unabhängig davon nachgewiesen, mit welcher Stärke sich die drei Neutrinosorten miteinander vermischen. Leider liefern uns diese Oszillationen nicht die Werte dieser drei Massen, sondern nur die Quadrate der Massendifferenzen.

 

Auf der linken Seite ist der Standard-Betazerfall mit einem Tritiumatom dargestellt. Beim Standard-Doppel-Betazerfall (Mitte) wandeln sich zwei Neutronen in Protonen um, unter Emission von zwei Elektronen (Betateilchen) und zwei Neutrinos. Wenn die Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind, kann jedoch ein bei einem Zerfall ausgesandtes Antineutrino in dem zweiten Zerfallsprozess als Neutrino absorbiert werden und führt dann zu einem neutrinolosen Doppel-Betazerfall (rechts).
(Linken Seite, Quelle: KATRIN collaboration website)
(Mitte und rechts, Quelle: Berkeley Lab)

Aus dem Oszillationsmuster lassen sich die Massenunterschiede zwischen verschiedenen Neutrinozuständen ableiten, nicht jedoch die absoluten Werte ihrer Massen und auch nicht die Massenhierarchie (ist ?3 das schwerste oder das leichteste?). Die Absolutwerte der Neutrinomasse versucht man durch die Messung der Elektronen bestimmt, die beim Betazerfall von Tritium entstehen, bei dem sich ein Neutron innerhalb eines Kerns in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino umwandelt. Aus diesen Versuchen wissen wir, dass das schwerste der drei Neutrinos leichter als 2,3 eV ist, das ist etwa ein Viermillionstel der Elektronenmasse.

Neutrinos als ihre eigenen Antiteilchen: Majorana-Neutrinos?

In einer anderen Gruppe von Versuchen wird nach dem „neutrinolosen Doppel-Betazerfall“ gesucht. Dabei können wir vielleicht erfahren, ob Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind (Majorana-Neutrinos) – eine Entdeckung, die weit über die Präzisionsmessung ihrer absoluten Masse hinausgeht. Wenn es wirklich Majorana-Neutrinos gäbe, hätte das schwerwiegende Folgen. Zum Beispiel sind Majorana-Neutrinos eine Voraussetzung, dass im frühen Universum über einen als Leptogenese bezeichneten Prozess eine Überschuss von Materie über Antimaterie im Kosmos entsteht.

Ein Lied von Eis und Wasser



Sternenringe um SN 1987A - in der Mitte des inneren
Rings der Auswurf der Supernova-Explosion
(Quelle: The Hubble Heritage Team (AURA/STScI/NASA))
(Nahaufnahme: Dr. Christopher Burrows, ESA/STScI and NASA)

 

Neutrinos von hoher Energie müssen als Nebenprodukt von energiereichen Stößen zwischen geladenen kosmischen Strahlen und Materie entstehen. Da sie aus Himmels-körpern entweichen können, die so dicht sind, dass Licht nicht heraus kommt, weisen sie vielleicht auf Vorgänge hin, die der traditionellen Astronomie verschlossen bleiben. Dennoch macht ihre extrem geringe Wechselwirkungswahrscheinlichkeit ihren Nachweis gleichzeitig außergewöhnlich schwer.

Detektoren für Sonnenneutrinos werden tief unter der Erde aufgestellt, damit sie gegen Rauschen abgeschirmt sind, das ihre seltenen Wechselwirkungen vielleicht vortäuschen könnte. Nur Neutrinos können so tief dringen, dass sie diese Geräte ungestört erreichen. Zwar ist die Neutrinoastronomie im Energiebereich von 1 MeV (1 MeV = 106 eV) durch die beeindruckende Beobachtung von Sonnenneutrinos und Neutrinos aus der Supernova SN 1987A inzwischen etabliert, aber Neutrinos mit Energien von 1 GeV (1 GeV = 109 eV) und mehr, die bei der Bildung von hochenergetischen kosmischen Strahlen auftreten müssen, sind bis heute noch nicht entdeckt worden.

Um die schwachen Flüsse aus den vermuteten fernen Quellen von energiereichen Neutrinos von 1 TeV (1 TeV= 1012 eV) und 1 PeV (1 PeV = 1015 eV) nachzuweisen, braucht man riesige Detektoren mit einem Volumen von einem Kubikkilometer oder mehr. Da man sie nicht unterirdisch aufstellen kann, werden diese erweiterungsfähigen Anordnungen tief in offenen Gewässern – Meeren oder Seen – oder im Eis aufgestellt, wo genügend Platz vorhanden ist.

 

Das IceCube Neutrino-Observatorium am Südpol
(Quelle: Danielle Vevea/NSF & Jamie Yang/NSF)
Der ANTARES-Detektor im Mittelmeer
(Quelle: J.A. Aguilar)